Das ist so eine Sache. Einerseits sind die Euskaldunak unverkennbar mediterrane Menschen mit der dazu passenden "mañana"-Einstellung. Andererseits gelten sie zu Recht als zielstrebig und zuverlässig. Was nicht heissen soll, dass eine Verabredung für 20:00 Uhr auch wirklich um 20:00 Uhr stattfindet. Aber wenigstens so ungefähr dann.
Die Uhren gehen hier anders. Vor zehn hat kaum ein Geschäft geöffnet, und nur einige Kneipen, die sich auf Frühstücksgäste spezialisiert haben. Ab elf erwacht Donostia, dann geht es bis zwei zur Sache. Danach ist wieder Stille bis fünf. Siesta. Und dann geht es ganz langsam, fast schon genüßlich in die Abendstunden hinein. Zu Zeiten, in denen bei uns alles gen Bett strebt, legen die Donostiarrak erst richtig los. Die Bars haben geöffnet, bis niemand mehr Durst hat.
Zu hohen Feiertagen treibt diese Einstellung noch merkwürdigere Blüten: Am Silvesterabend schliessen ab acht fast alle Bars. Die Donostiarrak machen dann auf Familie. Nebenbei: Alle meckern und stöhnen darüber, aber alle gehen hin. Um Mitternacht gibt es Feuerwerk, aber mit mehr akustischem als optischem Schwerpunkt.
Wenn die BaskInnen schonmal auf der Strasse sind, bleiben sie dann auch da. So langsam, bis halb zwei, machen die Kneipen wieder auf! Nein, auf, nicht zu. Ja, halb zwei morgens. Und dann geht es rund bei Musik und Tanz. Wir hielten 2001 bis halb sechs im Altxerri aus und waren fast stolz darauf. Als wir vor die Tür traten, um mal eben nach Hause zu gehen, wurden wir mit Menschenmassen in den Altstadtgässchen konfrontiert, wie wir sie hier nur an Sommerabenden gegen zehn erleben. Vor Sonnenaufgang gibt es hier kein Ende. Ein Unterschied zur Düsseldorfer Altstadt war offensichtlich: Wir sahen kaum volltrunkene oder randalierende Menschen.
Eine sehr schöne Normaluhr steht auf dem Boulevard. So etwas ist weltweit ein beliebter Treffpunkt für Verabredungen. So auch hier. Die Donostiarrak treffen sich gerne an dieser Uhr, um ihre Runden durch die Altstadt zu starten. Aber: Im Sommer verabreden sich gleich Tausende hier, damit das Warten nicht so langweilig wird. Das relativiert die präzise Lokalisation des Treffpunktes wieder und erspart umständliche Entschuldigungen bei Verspätungen.
Der Umgang der BaskInnen mit dem Begriff Zeit ist also eher von Pragmatismus denn von Präzision geprägt. Sie sehen Zeit mehr als philosophische Konstante, denn als Masseinheit. Für Rheinländer genügen ein paar Feinabstimmungen, um sich bestens in dieser Welt zurechtzufinden.